Brandschutz-Vorschriften Schweiz: Eine Totalrevision ist fällig
Der Entwurf der neuen Brandschutzvorschriften steht und umfasst knapp 500 Seiten. Projektleiterin Isabel Engels erklärt, weshalb die Totalrevision auf mehr Eigenverantwortung setzt, und zeigt an konkreten Beispielen, was sich ändert.

In der Schweiz gelten die Brandschutzvorschriften (BSV) flächendeckend für das ganze Land. Alle zehn Jahre werden sie überprüft und angepasst. Die Brandschutzvorschriften 2026 sind eine Totalrevision.
Ziele der neuen BSV sind Verhältnismässigkeit, Deregulierung und mehr Eigenverantwortung.
Für ein Einfamilienhaus gibt es auch künftig kaum Anforderungen. Trotzdem kann es für einzelne Eigentümer:innen Sinn machen, in Brandschutzmassnahmen zu investieren.
Das Interkantonale Organ Technische Handelshemmnisse (IOTH) hat der Vereinigung Kantonaler Feuerversicherungen den Auftrag erteilt, die Brandschutzvorschriften (BSV) Schweiz zu revidieren. Seit Mitte September steht der Entwurf. Isabel Engels, was war der zentrale Auftrag?
Isabel Engels: Im Zentrum der Revision steht zum einen die Risikoorientierung. Dabei dreht sich immer alles um die Frage: Welchen Einfluss haben Schutzmassnahmen auf den potenziellen Schaden, wenns brennt? Zum anderen müssen Brandschutzmassnahmen verhältnismässig sein: Es muss bei allen Schutzmassnahmen klar sein, dass den aufgewendeten Kosten ein Nutzen für Personen und Gebäude gegenübersteht.
Der Entwurf umfasst knapp 500 Seiten, erarbeitet haben ihn rund 140 Expert:innen, darunter sind auch 6 von der Gebäudeversicherung Bern (GVB). Wie verständlich sind die neuen Vorschriften geschrieben?
Das neue Reglement ist komplett neu aufgebaut und strukturiert. Die BSV gelten für Fachleute genauso wie für Laien. Entsprechend unterschiedlich sind die Kenntnisse. Deshalb haben wir uns vorgenommen, die Vorschriften in einer einheitlichen und einfachen Sprache zu verfassen.
Die BSV 2026 setzen auf Deregulierung. Können Sie dazu ein konkretes Beispiel machen?
Gerne. Bisher galt ein Gebäude mit zwei eigenständigen Wohnungen als Mehrfamilienhaus und musste entsprechende Brandschutzmassnahmen umsetzen. Eine Ausnahme bestand nur bei Einfamilienhäusern mit einer Einliegerwohnung. Zukünftig gilt die Erleichterung allgemein für zwei Wohnungen in einem Gebäude. Aufgrund der klaren Aussage benötigt es keine Interpretation mehr, ob die weitere Wohnung nun eine Einliegerwohnung ist oder nicht.
Gibt es eine Neuerung, die Sie ganz besonders begrüssen?
Ich finde es gut, dass die Vorschriften transparent sind und dass sie sich an Risiken orientieren. Bei allen Brandschutzmassnahmen ist aufgeführt, ob diese primär den Personen oder dem Gebäudeschutz dienen. Weiter begrüsse ich den Beitrag zur Sensibilisierung für die Kreislaufwirtschaft. Es ist nicht neu, aber explizit formuliert, dass gebrauchte und wiederverwendete Produkte im Brandschutz eingesetzt werden können, wenn beispielsweise die erforderliche Feuerwiderstandsdauer von Brandschutztüren nachgewiesen werden kann. Bei der Umsetzung müssen nun die Akteure am Markt Lösungen bereitstellen, um diese Leistungen zu bewerten und zu bestätigen.
Stichwort mehr Eigenverantwortung: Sind viele Hauseigentümer:innen damit nicht schlichtweg überfordert?
Wer ein Haus besitzt, musste sich bisher schon mit Prävention und Sicherheit befassen. Einfamilienhausbesitzer:innen müssen kaum Brandschutzmassnahmen umsetzen. Trotzdem ist es sinnvoll, Rauchmelder zu installieren und tragbare Feuerlöscher im Haus zu haben. Doch nur weil etwas sinnvoll ist, heisst das nicht, dass es gesetzlich vorgeschrieben wird.
Wenns brennt, sind Flucht- und Rettungswege entscheidend. Sind hier Änderungen vorgesehen?
Jein, auch weiterhin sind Flucht- und Rettungswege ein Kernelement im Brandschutz. In der Detailplanung haben sich einige Erleichterungen bezüglich Längen ergeben sowie bezüglich Materialisierung.
Können Sie die Erleichterungen konkretisieren?
Durch mehr Möglichkeiten in der Fluchtwegführung über mehrere Räume können bestehende Bauten einfacher umgenutzt werden, ohne zusätzliche Fluchtwege zu schaffen. Bei der Umsetzung von Konstruktionen müssen in Fluchtwegen die Bauteile, damit sie keinen Brandbeitrag leisten, nur noch bekleidet und nicht mehr wie früher rundherum eingepackt werden. Dies führt zu wirtschaftlicheren Lösungen bei brennbaren Konstruktionen.
Das heisst, die BSV werden künftig in puncto Flucht- und Rettungswege aufgeweicht?
Nein, die Vorschriften schreiben vor, was zielführend ist und wo dem Aufwand für Brandschutz auch ein entsprechender Nutzen bezüglich der Risikoreduktion gegenübersteht.
Wie geht es jetzt weiter mit dem Entwurf der BSV?
Seit dem 15. September 2025 läuft die technische Vernehmlassung. Sie steht nun allen interessierten Kreisen zur Kommentierung offen. Rückmeldungen sind bis zum 11. Januar 2026 möglich. Nach einer weiteren politischen Vernehmlassung setzt das IOTH das Brandschutzrecht dann hoffentlich im Frühling 2027 in Kraft.