Zu Hause bei Matthias Müller
Ein Daheim mitten im Felsen und in der Natur. Das Fluehüsli in Krauchthal ist alles andere als gewöhnlich. Hier hat Matthias Müller im Jahr 2013 einen Ort gefunden, der zu ihm passt und der ihm die Möglichkeit bietet, sich handwerklich auszuleben.
Matthias Müller wohnt mit seinem elfjährigen Sohn und Kater Max in einem Haus, das in den Sandsteinfelsen gebaut ist, dem Fluehüsli in Krauchthal.
Hier lebt er mitten in der Natur und weitgehend autark: mit Wasser aus eigener Quelle, Holz aus dem eigenen Wald und Wärme aus einer eigenen Solarthermieanlage.
Ein Daheim ist Geborgenheit. Ein Ort, an dem ich mich wohlfühle, Energie tanke, aber auch Ferien machen kann. Genauso einen Ort habe ich gefunden. Und dieser Ort ist alles ausser gewöhnlich.
Zwischen Boll und Krauchthal, im Lindental, ragen hohe Felsen aus dem Wald. Doch da ist noch etwas? Viele Vorbeifahrende fragen sich, ob es ein Bunker oder eine andere Anlage ist. Nein, es ist ein Haus, das in den Felsen gebaut ist. Das Fluehüsli gehört seit dem Jahr 2013 mir, samt 2,4 Hektar Land und Wald. Mit meiner damaligen Partnerin habe ich eine grössere Wohnung gesucht und stiess auf dieses Haus an der besonderen Lage. Ich war sofort Feuer und Flamme. Als begeisterter Kletterer kenne ich das Bouldergebiet auf der anderen Talseite – ein kleines Paradies.
Besonders ist auch der Weg zum Haus. 347 Treppenstufen gilt es zu bezwingen. Den Lastentransportlift benutze ich nur ausnahmsweise. Ist man oben angekommen, eröffnet sich einem der Blick ins Tal, zur Justizvollzugsanstalt Thorberg, die über Krauchthal thront, und zu Wäldern. Das Haus liegt in der Landwirtschaftszone und ist dem bäuerlichen Bodenrecht unterstellt. Der benachbarte Landwirt hatte zudem noch für einige Jahre das Nutzungsrecht. Da es keine anderen Interessenten gab, habe ich zu meiner Freude den Zuschlag erhalten.
Wohnen unter einem Felsendach
Ich fand es toll, dass das Haus zwar nicht neu, aber bezugsbereit war. Im Jahr 1993 wurde das Haus in seiner jetzigen Form in Massivbauweise erstellt. Zuvor war es ein Bauernhof mit Kühen.
Eingebettet im Sandstein und mit Holz verkleidet, befinden sich zwei Wohnungen unter dem Felsendach. Die 2,5-Zimmer-Wohnung habe ich erst auf Airbnb vermietet, später diente sie als Unterkunft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine und heute als Gästeresidenz. Die 3,5-Zimmer-Wohnung bewohne ich mit meinem elfjährigen Sohn Robin und Kater Max. Schliesst man beim Betreten der Wohnung die Tür hinter sich, verstummen der Lärm der Strasse und das Zwitschern der Vögel; es wird still und dumpf. Als wäre man in Watte eingepackt.
Ein Haus, das auf eine Seite ausgerichtet ist
Die Küche und das Badezimmer habe ich zwischenzeitlich renoviert, die Räume haben einen neuen Anstrich bekommen, ansonsten ist die Wohnung im Originalzustand. Das Haus ist denkmalgeschützt. Aussen, etwa an der Holzfassade, darf ich nichts ändern, auch nicht ausbauen. Eine weitere Besonderheit am Fluehüsli ist, dass die Fenster nur auf eine Seite ausgerichtet sind. Die Zimmer sind so angeordnet, dass alle ein Fenster haben. Auch das Badezimmer hat eines, das lässt sich gegen die Felsenseite öffnen.
Im ebenerdigen Keller herrschen das ganze Jahr über gemässigte Temperaturen von durchschnittlich 10 °C. Der Keller befindet sich auf der felsigen Seite des Hauses. Zwischen Haus- und Felswand gibt es einen Abstand; durch den so entstandenen Gang gelangt man auf die andere Seite des Gebäudes. Wenn es kalt ist, profitiert man von der konstanten Temperatur des Felsens. Und im Sommer bleibt es schön kühl. Spannend ist, wie man ein Haus in einer Höhle baut. Das Haus steht wie ein Quader in der Gesteinshöhle, mit Luftschichten ringsum, damit Feuchtigkeit entweichen kann. Auf der Talseite befinden sich zwischen Boden und dem Haus Lüftungsgitter.
Wasser, Holz und Sonne als Energiequellen
Der Sandstein ist durchzogen von Lehmschichten, die Wasser speichern, fast wie ein Schwamm. Ich wohne eigentlich in einem Wasserschloss und habe mehr als genug Wasser. Trinkwasser beziehe ich aus meiner eigenen Quelle. Abenteuerlich wurde es, als ein neuer Wassertank hermusste. Es war günstiger, ihn mit einem Helikopter anzuliefern, als ihn mit der Seilbahn hochzufahren. So wurde der Tank aus Chromstahl über die Fluh auf die Terrasse abgeseilt. Damit ich den Tank im Anbau beim Haus unterbringen konnte, musste ich die Türe vergrössern. Im gleichen Raum stehen auch die Stückgutheizung und eine kleine Boulderwand zum Trainieren.
Das Holz für die Heizung kommt aus meinem Wald, den ich selbst bewirtschafte. Mit Holz heize ich etwa von November bis Februar, die übrige Zeit beziehe ich Wärme, die meine Solarthermieanlage produziert.
Ab vom Schuss und doch voll dabei
In einem Haus mit so viel Umschwung gibt es immer etwas zu tun. Das ist mitunter ein Grund, warum ich mich so wohlfühle, es ist «back to the roots». Am liebsten bin ich in der Natur, verrichte Arbeiten rund ums Haus oder trinke meinen Morgenkaffee auf der Terrasse. Mir fehlt es hier an nichts, oft gehe ich tagelang nicht einmal ins Tal. In meinem 70-Prozent-Job als Data Scientist im medizinischen Umfeld kann ich viel im Homeoffice arbeiten. Zur Arbeit fahre ich mit dem Velo dem Wanderweg entlang über den Bantiger nach Bern. Mein Sohn geht selbstständig in die Schule ins Dorf und wohnt dort auch zur Hälfte bei seiner Mutter. Er schätzt die unterschiedlichen Wohnformen sehr.
Obwohl ich abgeschieden wohne, ist es weniger anonym als in einem Wohnblock in der Stadt. Ich pflege ein gutes Verhältnis zu meinen Nachbar:innen. Wir tauschen uns aus, helfen einander und sind füreinander da. Um mich im Dorf zu integrieren, bin ich der Feuerwehr beigetreten. Natürlich besuchen mich auch Freund:innen und die Familie. Wie etwa an meinem 40. Geburtstag im Jahr 2020, als rund 100 Menschen mit mir mein neues Lebensjahr einläuteten.