Grosstierrettung: ein Fall für die Profis
Im Kanton Bern retten seit 2016 spezialisierte Feuerwehren Grosstiere in Not. Damit ist sichergestellt, dass bei den heiklen Einsätzen immer gut ausgebildete Spezialist:innen und moderne Hilfsmittel zum Einsatz kommen.

Im Kanton Bern sind seit 2016 sieben Feuerwehrorganisationen zusätzlich zu ihren gesetzlichen Aufträgen offiziell für die Rettung von Grosstieren zuständig.
Die Alarmierung erfolgt über die Notrufnummer 118. Bei Einsätzen werden die Feuerwehrleute der Sonderstützpunkte von Mitgliedern der Ortsfeuerwehr und von lokalen Tierärzt:innen unterstützt.
In einer dreitägigen Ausbildung üben die Teilnehmenden den Umgang mit Grosstieren zuerst an lebensgrossen Plastiktieren. Dann wenden sie das Gelernte unter Aufsicht von Tierärzt:innen an lebenden Tieren an.
Mit dem Schrecken davongekommen, ist eine Reiterin aus dem Raum Bern. Sie ritt im Winter 2024 mit ihrem Wallach einen ihr gut bekannten Feldweg entlang. Auf einmal scheute ihr Pferd, machte ein paar Tritte seitwärts und rutschte mit der Hinterhand in den schmalen Wassergraben, der neben dem Feldweg entlangläuft. Die Reiterin konnte rechtzeitig abspringen, das Pferd hingegen steckte fest und konnte aus eigener Kraft nicht mehr aus dem Graben steigen. Die Reiterin wählte geistesgegenwärtig die Notrufnummer 118 und alarmierte gleichzeitig ihren Tierarzt. Der Sonderstützpunkt Bern und die örtliche Feuerwehr konnten den stecken gebliebenen Wallach schonend und schnell aus seiner misslichen Lage befreien. Dem Pferd wurde ein Horizontalnetz um den Bauch gelegt, dann wurde es mit einem Kran in waagrechter Lage nach oben gezogen. Wie durch ein Wunder trug das Pferd keine einzige Verletzung davon, es war nur etwas unterkühlt.


38 Einsätze im Jahr 2024
2024 wurden im Kanton Bern in 38 Einsätzen 63 Grosstiere gerettet. Zuständig dafür sind offiziell sieben Feuerwehren, die neben ihren normalen Aufgaben auch auf die Rettung von Grosstieren trainiert sind. Dieses innovative Konzept wurde erst im Jahr 2016 eingeführt. Wie kam es dazu?


GVB entwickelt schweizweit einzigartiges Konzept
Im Jahr 2014 habe Schutz und Rettung Bern bei der Gebäudeversicherung Bern (GVB) angeregt, Sonderstützpunkte zu schaffen, die auf die Rettung von Grosstieren spezialisiert sind, erinnert sich Hansueli von Arx vom Feuerwehrinspektorat der GVB. Bis zu diesem Zeitpunkt seien sie die Einzigen gewesen, die Grosstierrettungen professionell durchführen konnten. «Daraufhin entwickelten wir das Konzept mit den Sonderstützpunkten und setzten es um. Seit 2016 ist damit sichergestellt, dass bei Grosstierrettungen im ganzen Kanton immer gut ausgebildete und modern ausgerüstete Spezialist:innen vor Ort sind», sagt Hansueli von Arx.
Die Alarmierung erfolgt über die Notrufnummer 118. Bei Einsätzen werden die Feuerwehrleute der Sonderstützpunkte von Mitgliedern der Ortsfeuerwehr und von lokalen Tierärzt:innen unterstützt. «Das in der Schweiz bis heute einmalige Konzept hat sich in der Praxis bewährt. Es stellt im ganzen Kanton eine schnelle, tierschonende und kostengünstige Rettung sicher», sagt Beat Wampfler, Tierarzt und Leiter Veterinärdienst am nationalen Pferdezentrum in Bern.

«Das ist ein Quantensprung»
Beat Wampfler ist seit vielen Jahren Berater der Berner Feuerwehren bei Grosstierrettungen und Ausbildner an den von der GVB durchgeführten Aus- und Weiterbildungskursen. Ein bisschen salopp formuliert, bemerkt er, hätten früher ein paar starke Männer einem in Not geratenen Tier Seile um die Füsse gebunden und es dann mit dem Traktor irgendwie aus dem Güllenloch gezogen. «Heute stehen Kranfahrzeuge zur Verfügung, Seil- und Flaschenzüge und laufend weiterentwickelte Rettungsnetze. Das ist schon ein Quantensprung.» Das Konzept hat auch schon internationales Interesse geweckt: Delegationen deutscher und belgischer Feuerwehren haben sich vor Ort in Bern ein Bild davon gemacht.
Gülle? Kein Problem!
Entscheidend ist bei den Einsätzen, dass Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz der Feuerwehrleute jederzeit gewährleistet sind. Schutz und Rettung Thun hat dazu zusammen mit einer darauf spezialisierten Firma einen Schutzanzug konzipiert, der Stiefel und Handschuhe integriert. Zusammen mit dem Atemschutzgerät schützt er noch besser vor giftigen Gasen und aggressivem Dreck in Güllegruben.

Üben an Plastiktieren
Den richtigen Einsatz der Rettungsnetze, Seil- und Flaschenzüge und Kranfahrzeuge lernen die Feuerwehrleute der Sonderstützpunkte in den dreitägigen Ausbildungsgrundkursen. Um sich mit dem Material vertraut zu machen, wird zuerst mit lebensgrossen Tieren aus Plastik geübt. Am zweiten Ausbildungstag wird das Gelernte unter Aufsicht von Tierärzt:innen an lebenden Tieren angewendet. Das ist enorm wichtig, sagt Hansueli von Arx von der GVB. Denn: «Es macht einen grossen Unterschied, ob man ein Netz um ein Plastikpferd legt oder um eines aus Fleisch und Blut.»




