Pflanzenkohle: gut für Klima und Kühe

Pflanzenkohle ist vielseitig einsetzbar: Sie macht Kühe gesünder und Böden fruchtbarer. Bei ihrer Herstellung entsteht Heizwärme, dabei wird deutlich weniger CO2 ausgestossen als bei herkömmlichen Holzheizungen. Ein Wundermittel im Kampf gegen den Klimawandel? Ein Besuch bei Biobauer Michael Kipfer, der die erste Kleinpyrolyseheizung der Schweiz betreibt.

Biobauer Michael Kipfer steht auf der Weide , Kühe grasen im Hintergrund.
Text:
etextera
Bilder:
Ruben Ung
In Kürze

Biobauer Michael Kipfer produziert und nutzt seit mehreren Jahren Pflanzenkohle auf seinem Hof auf dem Ferenberg oberhalb von Stettlen.

Im Jahr 2021 nahm er die erste Kleinpyrolyseheizung der Schweiz in Betrieb. Im Vergleich mit einer Holzheizung produziert die Anlage massiv weniger schädliches Treibhausgas (CO2) – und stellt jährlich 6,5 Tonnen Pflanzenkohle her.

Michael Kipfer verfüttert die gemahlene Pflanzenkohle seinen Kühen und streut sie im Stall ins Stroh.

Schon sein Vater sei ein Pionier gewesen, erzählt Michael Kipfer. Der habe bereits 1999 eine Holzschnitzelheizung auf dem Bauernhof in Ferenberg (BE) installiert. Nachdem die Heizung in die Jahre gekommen und der Betrieb an den Sohn übergegangen war, war es Zeit für eine neue Pioniertat: Im Jahr 2021 entschied sich der junge Biobauer, den damaligen Prototyp der Pyrolyseheizung PyroFarm auf seinem Hof zu installieren. «Jetzt sind Kinderkrankheiten ausgemerzt, und die Heizung läuft reibungslos», sagt Michael Kipfer heute. «Wir betreiben hier die erste Kleinpyrolyseheizung der Schweiz – und wohl auch der ganzen Welt.»

Besser, als Holz zu verbrennen

Michael Kipfer führt den Hofacker östlich von Bern bei Stettlen mit zwölf Mutterkühen und 12,5 Hektaren Land, auf denen er neben Grünflächen Saatkartoffeln, Quinoa, Dinkel und Weizen anbaut. Hinzu kommen 4,5 Hektaren Wald. Daraus stammen die Holzschnitzel, mit denen er die Pyrolyseanlage betreibt: Sie beheizt die vier Wohnungen auf dem Hof und dient zudem der Warmwasseraufbereitung.

Seit ich den Kühen Pflanzenkohle ins Futter mische, sind sie deutlich gesünder.
Michael Kipfer
Biobauer

Der innovative Landwirt schont damit die Umwelt: Im Vergleich mit einer als umweltfreundlich geltenden Holzheizung produziert seine Anlage massiv weniger schädliches CO2. Während eines Jahres spart sie so viel CO2, wie ein Kleinwagen bei einer Fahrt rund 3,5-mal um den Erdball ausstossen würde. Zudem produziert die Pyrolyseheizung jährlich 6,5 Tonnen Pflanzenkohle, die Michael Kipfer auf seinem Hof vielseitig verwendet. Wie ist das möglich? Die Funktionsweise der Heizung basiert auf dem chemischen Prozess der Pyrolyse, also der Verkohlung oder Verschwelung. Das Geheimnis liegt darin, dass bei der Pyrolyse Holz oder anderes Grüngut nicht verbrannt wird, weil dazu der Sauerstoff fehlt.

Grosses Potenzial

Beim konventionellen Verbrennen von Holz wird CO2 freigesetzt. Der Kohlenstoff (C), den die Pflanzen während ihres Wachstums aufgebaut haben, verbindet sich dabei mit dem Sauerstoff (O2) aus der Luft. Heizen mit Holz ist deshalb «klimaneutral»: Jene Menge an CO2, welche die Pflanzen bei der Fotosynthese der Luft entzogen haben, setzen sie beim Verbrennen wieder frei. Beim Heizen mit den fossilen Brennstoffen Gas oder Öl entsteht neues CO2.

Bei der Pyrolyse hingegen entsteht im Vergleich zu einer Holzheizung nur die Hälfte an CO2. Unter dem Strich wird der Luft sogar CO2 entzogen. Dazu braucht es im Ofen zuerst eine Initialzündung, wonach sich die Moleküle der Holzschnitzel in einer luftabgeschlossenen Kammer bei etwa 700 °C aufspalten: Der Kohlenstoff bleibt in der Pflanzenkohle zurück, und es entstehen Pyrolysegase. Dazu gehören unter anderem Kohlenmonoxid, Wasserstoff und Methan. Diese Gase werden anschliessend in einer zweiten Kammer vollständig verbrannt. Die dabei entstehende Wärme wird zum Heizen von Wohnungen und für Warmwasser verwendet. Biobauer Kipfer verbraucht jährlich etwa 80 Kubikmeter Holzschnitzel.

Die entstandene Pflanzenkohle mahlt sein Vater zuerst in einer alten Haferquetsche. Danach kann er sie vielfältig auf seinem Hof verwenden. Zum einen verfüttert er sie den Kühen. «Seit ich ihnen Pflanzenkohle ins Futter mische, haben sie eindeutig weniger Durchfall und sind deutlich gesünder», sagt Michael Kipfer. Die Pflanzenkohle bindet zudem Stickstoff, was die Ammoniakausscheidungen der Tiere verringert. Das heisst: Es stinkt deutlich weniger im Stall.

Schwamm für Nährstoffe

Mit dem Mist und der Gülle aus dem Stall landet die Pflanzenkohle schliesslich auf den Feldern. Dort wirkt sie wie ein Schwamm für Nährstoffe. Gemäss der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt Agroscope verbessert sie die Fruchtbarkeit und die Wasserspeicherfähigkeit der Böden sowie den Nährstoffkreislauf.

Auch das Bundesamt für Umwelt (BAFU) sieht Potenzial in der Pflanzenkohle: «Würde landesweit fast alle verfügbare Trockenbiomasse wie Holzschnitzel als Pflanzenkohle in die Böden eingebracht oder anderweitig gelagert, könnte man theoretisch bis zu 2,2 Millionen Tonnen CO2 pro Jahr für viele Jahrzehnte speichern – und das bei eher moderaten Kosten», ist in einer BAFU-Publikation aus dem Jahr 2022 nachzulesen. Bevor die Pflanzenkohle aber grossflächig zum Einsatz kommen könne, müssten zuerst die langfristigen Auswirkungen auf Boden und Umwelt untersucht werden. Entsprechende Forschungsprojekte laufen.

Pflanzenkohle ist streng kontrolliert
In der Schweiz darf nur Pflanzenkohle verkauft werden, die den Normen des European Biochar Certificate (EBC) entspricht. Damit ist sichergestellt, dass sie nicht mit schädlichen Stoffen belastet ist, die entstehen, wenn die Pyrolyse nicht korrekt durchgeführt wird.

Ersatz für Sand und Zement

Roland Christen, Dozent fürs Thema Klima und Bau am Campus Sursee des Schweizerischen Baumeisterverbands, ist überzeugt, dass das Klimapotenzial der Kohle aus Biomasseabfällen noch deutlich mehr ausgeschöpft werden kann. «Auf Schweizer Bauernhöfen ist sie langsam am Kommen, aber es wäre noch so viel mehr möglich», sagt er. «Biomassekohle kann bei der Betonherstellung Sand und Zement ersetzen. Asphalt wird damit standfester und langlebiger. Das wird die Klimabilanz im Bau deutlich verbessern.» Zudem könnten Pyrolyseöfen wie jener von Michael Kipfer auch drei bis fünf normale Einfamilienhäuser gemeinsam heizen.

Bauer Michael Kipfer kann dem nur zustimmen. Denn er ist nach wie vor begeistert von seinem Ofen: «Ich würde die Anlage sofort wieder installieren», sagt er.